Der neue deutsche Pazifismus

Deutschland diskutiert über Bodentruppen gegen die Terrororganisation « Islamischer Staat (IS) ». Die Grünen haben im Bundestag diesen spektakulären Vorschlag gemacht, der Wellen schlägt.

Das weckt Erinnerungen an den Kosovo-Konflikt Ende der neunziger Jahre. Es war eine bedeutsame Zäsur in der Geschichte der Republik. Erstmals beteiligten sich Bundeswehrsoldaten nämlich an einem Kampfeinsatz. Inzwischen ist der deutsche Pazifismus ausgeprägter als damals. Deshalb liegen zwischen dem Vorschlag und seiner Realisierung hohe Hürden. Die erste ist das UN-Mandat, das die Grünen zur Voraussetzung für einen Militäreinsatz in Syrien fordern. In diesem Fall müsste man zuvor Russland und China davon überzeugen, das Vorhaben zumindest nicht zu blockieren.

Das nächste Hindernis ist das kategorische Nein der Bundesregierung, die nicht einmal eine Beteiligung an den Luftschlägen gegen den « IS » erwähnt hat. Und schon die materiellen Probleme der Bundeswehr würden einen Syrien-Einsatz in Frage stellen. Auch wenn sich die Transportfrage lösen ließe, welches Bundeswehrbataillon wäre vorbereitet auf den Kampf gegen die Terrorkrieger?

Anfang 2014 forderte Bundespräsident Joachim Gauck ein klares internationales Engagement Deutschlands. Mit bekannten Argumenten: von der klassischen Diplomatie über humanitäre Hilfe bis hin zur entwicklungspolitischen Kooperation. Erst zum Schluss forderte er auch die Bereitschaft, deutsche Soldaten an internationalen Einsätzen zu beteiligen, wenn alle anderen Mittel zur Konfliktbekämpfung erfolglos seien. Doch mit diesem Anspruch liegt der populäre Präsident konträr zur deutschen Stimmungslage, denn die Mitverantwortung bei der militärischen Krisenbewältigung gilt inzwischen als riskant, kontraproduktiv, ja gar unmoralisch. Auch die „Große Koalition“ ist entschlossen, sich neuen militärischen Herausforderungen zu entziehen. Die Entscheidung für eine Beteiligung in Afghanistan im Jahr 2001 war die letzte ihrer Art.

Das erklärt, warum eine Beteiligung der Bundeswehr an den Luftangriffen gegen den « IS » nicht einmal diskutiert wurde. Die 17 internationalen Einsätze, an denen die Bundeswehr derzeit beteiligt ist, ändern daran wenig. Es handelt sich bei ihnen hauptsächlich um kleine technische oder humanitäre Hilfsoperationen, Ausbildungs- oder Überwachungsmissionen.

In den letzten Jahren gab es bereits einige Indizien für diese Tendenz: die Enthaltung im UN-Sicherheitsrat beim Libyen-Einsatz, das Drängen der schwarz-gelben Bundesregierung auf ein schnelles Ende des Afghanistan-Einsatzes, das Plädoyer der Bundeskanzlerin, lieber Regionalmächten mit Waffen und Ausbildung zu helfen, als mit eigenen Soldaten zu intervenieren. Der aktuelle Stand des deutschen Desengagements erinnert an die Zeit nach der Einheit. Als im Dezember 1990 die gerade souverän gewordene Bundesrepublik vor der Frage stand, wie sie sich am 2. Golfkrieg beteiligen werde, war klar: auf keinen Fall militärisch. Zu lebendig war der Nachkriegspazifismus, der sich zum einen aus historischer Schuld, zum anderen aus der Gewissheit speiste, dass Krieg in Zeiten der Blockkonfrontation die nukleare Katastrophe bedeutet hätte.

Erst der Bürgerkrieg in Jugoslawien mit seinen 200.000 Toten, den ethnischen Vertreibungen und Massakern bewirkte die Neuorientierung. Dann folgte die Beteiligung am Krieg gegen Serbien. Zwei Jahre später, nach den Anschlägen des 11. September, schickte die Bundesregierung deutsche Soldaten nach Afghanistan. Der Antimilitarismus der Nachkriegszeit wurde von einem skeptischen Interventionismus abgelöst.

Die Revision kam mit dem Irakkrieg 2003. Die Rot-Grüne Koalition antwortete auf George Bushs militärisches Abenteuer mit einem kategorischen Nein. Mit Recht, denn der Irakkrieg erwies sich als ein Desaster, das bis heute alle militärischen Intentionen delegitimiert: eine Lüge als Begründung, Tausende von zivilen Opfern, die Entfesselung eines Bürgerkriegs, die Destabilisierung der ganzen Region. Und „Afghanistan“ gilt allgemein als teurer, blutiger Fehlschlag. Dabei übersieht man, wie die Entwicklung ohne das militärische Engagement verlaufen wäre.

Besonders aktuell ist im Krisenjahr 2014 ein Argument, das vor zwanzig Jahren schon gegen humanitäre Interventionen vorgebracht wurde: Man wisse gar nicht, wo man mit dem Intervenieren beginnen und wo man aufhören solle. Mit der Inflation der Krisenherde wächst die Überforderung. Doch die Tatsache, dass unsere Mittel und der materielle Zustand der Bundeswehr nicht ausreichen, um in allen humanitären Brandzonen die Menschenrechte zu verteidigen, hindert uns nicht daran, es zu versuchen.

Nach einem Artikel von Matthias GEIS

« DIE ZEIT », Nº 43 – 19. Oktober 2014

I. VERSION (sur 20 points)

Traduire le titre et les paragraphes 2 et 3, depuis : « Das weckt Erinnerungen an den Kosovo-Konflikt Ende der neunziger Jahre … » jusqu’à : « … welches Bundeswehrbataillon wäre vorbereitet auf den Kampf gegen die Terrorkrieger? »

II. QUESTIONS (sur 40 points)

1. Question de compréhension du texte

Was erklärte den deutschen „Antimilitarismus der Nachkriegszeit“ und warum wurde er durch einen „skeptischen Interventionismus“ ersetzt?

(100 mots + ou – 10% * ; sur 10 points)

2. Question de compréhension du texte

Inwiefern betrachten viele Deutsche heute die „militärische Krisenbewältigung als riskant, kontraproduktiv, ja gar unmoralisch“?

(100 mots + ou – 10% * ; sur 10 points)

3. Question d’expression personnelle

Sollen/Können die westlichen Länder die Rolle des „Gendarmen der Welt“ spielen und somit ihr Modell der Demokratie exportieren?

(300 mots + ou – 10% * ; sur 20 points)

* Le non-respect de ces normes sera sanctionné.
(Indiquer le nombre de mots sur la copie après chaque question.)

III. THEME (sur 20 points)

Mödlareuth, le « petit Berlin », se remémore sa chute du Mur

Mödlareuth, un village d’environ 50 habitants, est situé à la frontière entre la Thuringe et la Bavière. C’était déjà depuis le XIXe siècle une étrangeté : une seule communauté célébrant unie les fêtes du village, mais qui dépendait administrativement de deux Länder distincts !

La limite géographique était formée par un petit ruisseau passant au milieu du bourg. En 1966, celle-ci se transforma en frontière nette entre la République fédérale d’Allemagne et sa voisine communiste, la République démocratique allemande, avec un mur de béton de 700 mètres de long gardé jour et nuit…

« Je n’aurais jamais imaginé que je vivrais le jour où le Mur tomberait », confie l’ancien maire. « C’était fantastique. Le 9 décembre 1989, c’est devenu réalité. Le sentiment d’unité qui existait avant le Mur était intact, les gens se sont embrassés et c’était comme si le village n’avait jamais été divisé. »

D’après un article d’Estelle PEARD

« Le POINT », 31.10.2014 *

* (Ces références ne sont pas à traduire.)