Sujet Allemand LV 2 Epreuve n° 2 BCE 2008

En matière d’orthographe, les graphies antérieures et postérieures à la réforme sont acceptées.

EXPRESSION ÉCRITE

Früher Demokratie wagen

Es war der 31. Juli des Jahres 1970, als die Abgeordneten des Deutschen Bundestages Mut bewiesen. Sie senkten das Mindestwahlalter, das bis dahin bei 21 Jahren lag. Seitdem steht in Artikel 38 des Grundgesetzes: « Wahlberechtigt ist, wer das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat. » Damals profitierte vor allem die SPD von der Verfassungsänderung zwei Jahre später machten die Jungwähler mit ihren Stimmen Willy Brandt erneut zum Bundeskanzler.

Die Regierung Österreichs will nun noch einen Schritt weiter gehen. Schon mit 16 Jahren sollen Jugendliche künftig an den Nationalratswahlen teilnehmen. Die Initiative ist Teil einer groß angelegten Demokratiereform. Die Parteien sollen so ermuntert werden, aktiv auf die junge Generation zuzugehen. Das ist schön gedacht, doch es gibt viel bessere Argumente. Eines davon der Satz, der so oder ähnlich in jeder demokratischen Verfassung steht: « Alle Macht geht vom Volke aus. » In Deutschland ist das Artikel 20 des Grundgesetzes. Doch wie ist es zu erklären, dass einem erheblichen Teil des Volkes diese Macht schon wenige Artikel später wieder genommen wird, wenn es um das Wahlalter geht? Etwa ein Fünftel der deutschen Bürger ist jünger als 20. Der größte Teil von ihnen (nämlich alle unter 18-Jährigen) darf überhaupt nicht wählen; und weil der Bundestag nur alle vier Jahre gewählt wird, haben auch die meisten jetzt 20-Jährigen noch nie ein Wahllokal von innen gesehen.

Dabei haben viele Entscheidungen, welche die Politiker treffen, direkte Auswirkungen auf ihre Zukunft. Beispiel Studiengebühren: Wer im vergangenen Jahr 17 war, wird erst 2009 zum ersten Mal seine Stimme abgeben dürfen – und dann womöglich bereits im vierten oder fünften Semester eingeschrieben sein. Solche Beispiele gibt es viele: Ausbildungsmarkt, Auslandseinsätze der Bundeswehr, Rente mit 67, die Förderung junger Familien und Mütter. Wer kann erklären, weshalb die Generation 65 plus, die durchschnittlich ebenfalls etwa 20 Prozent der Bevölkerung ausmacht, Einfluss auf solche politischen Richtungsentscheidungen nehmen kann, deren Auswirkungen in eine für sie unerreichbare Zukunft fallen, nicht aber diejenigen, die davon betroffen sind?

Konsequent zu Ende gedacht hieße das, jedem Menschen ein Wahlrecht ab Geburt einzuräumen. Dagegen gibt es viele berechtigte Einwände. Aber warum liegt die Altersgrenze ausgerechnet bei 18 Jahren? Schon im Alter von sieben Jahren sind Kinder beschränkt geschäftsfähig, das heißt, sie dürfen unter Vorbehalt Verträge eingehen. Mit 14 werden sie strafmündig. In der Definition der Gesetzgeber heißt das, sie sind in der Lage, die Folgen ihres Handelns zu überschauen. Mit 16 Jahren dürfen Jugendliche Moped fahren, Bier und Wein kaufen, miteinander Sex haben, sich zum Polizisten ausbilden lassen. Wenn ihnen all das zugetraut wird, warum dann nicht das so grundlegende Wahlrecht?

Die Befürchtungen vieler Gegner des Jugendwahlrechts sind unbegründet. Anders als 1972 würde es die politische Landschaft in Deutschland wohl kaum verändern. Je nach Bundesland stiege die Zahl der Wahlberechtigten um lediglich 2 bis 4 Prozent. Und anders als viele Erwachsene vermuten, unterscheidet sich die große Mehrheit der Jugendlichen in ihrer politischen Haltung kaum noch vom Mainstream. Doch nicht nur Ängste, auch allzu große Hoffnungen sind wohl überzogen.

Mit den üblichen Wahlkampfmethoden wird die neue Zielgruppe kaum zu erreichen sein. Plakatwände, die sich speziell an Jugendliche wenden, sind nur schwer auszumalen. Ebenso Bundespolitiker, die systematisch Schulen abklappern, um dort neue Wähler zu werben. Auch über die zu erwartende Wahlbeteiligung der Jungwähler sollte sich niemand Illusionen machen, sie liegt schon jetzt deutlich unter der der Älteren.

Durch das Wahlrecht allein wird sich die oft beklagte Politikverdrossenheit junger Menschen nicht kurzfristig heilen lassen. Doch darum geht es auch nicht. Ihnen das Gefühl zu geben, ein Teil der demokratischen Gesellschaft zu sein, ist viel wichtiger als parteipolitischer Aktionismus, der sich an Wahlergebnissen und neuen Wählerschichten orientiert. Das wäre die wichtigste Botschaft eines Wahlrechts ab 16: Ihr dürft nicht nur mitreden, ihr sollt auch mitentscheiden.

Carsten Lißmann, DIE ZEIT online, 15.03.2007

615 Wörter

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1. Mit welchen Argumenten begründet der Autor seine Forderung nach einer Herabsetzung des Wahlalters?

2. Würden Sie ein solches Jugendwahlrecht in Frankreich begrüßen?