Sujet d’allemand CCIR 2015 LV2 EXPRESSION ECRITE

Generation Ich

In diesen Wochen hat das neue Wintersemester begonnen. Weit über zwei Millionen Studenten sind an den Universitäten und Fachhochschulen eingeschrieben, unter ihnen befinden sich mehrere Hunderttausend Erstsemester. Wer sind diese jungen Leute? Was sind die Wünsche und Ängste einer Studentengeneration, die eine Krise nach der anderen in den Medien verfolgen konnte, ohne wirklich betroffen gewesen zu sein? Wie verändern sich die Menschen, wenn sie seit ihrer Kindheit zu hören bekommen, dass sie sich anstrengen müssten und keine Lücken im Lebenslauf haben dürfen?

Im Auftrag des Bundespresseamts hat das Meinungsforschungsinstitut TNS Infratest mehr als 500 Studenten von Universitäten in persönlichen Interviews befragt. Die Ergebnisse liegen der Bundesregierung seit Sommer 2013 vor. […] In der Umfrage geht es um die Lebensorientierung der Studenten, aber auch um ihre Studiensituation, beruflichen Pläne und politischen Einstellungen. Was die Studie dabei so interessant macht, sind die Vergleiche mit Erhebungen aus den Siebziger- und Neunzigerjahren. In der Zwischenzeit haben sich die Universitäten enorm verändert, nicht allein der neuen Studienabschlüsse Bachelor und Master wegen. Immer mehr Menschen zieht es an die Hochschule, die Studentenschaft ist weiblicher und jünger geworden: Laut Infratest stieg der Anteil der Frauen, die an den Unis studieren, gegenüber 1995 um sieben Prozentpunkte. Fast vier von zehn Studenten in der Stichprobe sind zwischen 18 und 22 Jahre alt.

Die Infratest-Befragung erlaubt einen weitreichenden Blick auf den Wertewandel an den Universitäten. Die Studenten sind « unpolitischer » als frühere Jahrgänge; kaum jemand ist noch Mitglied in einer Partei oder Hochschulgruppe, viele Studenten mosern allenfalls über Politiker, die ihre Interessen nicht vertreten. Von Rebellion und Aufbruchsstimmung ist wenig zu spüren. Viel wichtiger als Politik ist ihnen sowieso ein gewisser Wohlstand. « Die Ergebnisse zeichnen das Bild einer stark ichbezogenen Studentengeneration. Berufliches Vorankommen sowie materielle Werte sind für sie sehr wichtig », heißt es in der Studie. « Sich schöne Dinge leisten können » steht für die Studenten zum Beispiel ganz oben auf der Agenda. 1995 fanden dies nur 31 Prozent wichtig, heute sind es 73 Prozent der Befragten.

Nachgelassen hat hingegen die früher lautstark eingeforderte internationale Solidarität: « Bei Zuwanderungsfragen sind die Studierenden nicht frei von Vorbehalten », stellen die Forscher fest. « Jeweils rund die Hälfte findet, dass die Zahl der Zuwanderer die Integrationskraft der Gesellschaft überfordert und dass Deutschland in Zukunft nicht mehr Fachkräfte aus dem Ausland braucht. » Nicht wenige Studenten scheinen für die klassischen Ressentiments der Rechtsextremen empfänglich, wonach Ausländer die Jobs wegnehmen. « Die Vorbehalte der Studierenden dürften unter anderem darauf zurückzuführen sein, dass sie selbst den Einstieg ins Berufsleben erst noch vor sich haben und sich viele von Konkurrenz aus dem Ausland eher bedroht fühlen könnten », schreiben die Demoskopen.

Auch grundsätzlich sind die Studenten konservativer geworden. Die Grünen werden von den Forschern als die « großen Verlierer » ausgemacht. In den Neunzigerjahren standen sie mit großem Abstand auf Platz eins der beliebtesten Parteien. Heute liegen sie etwa gleichauf mit Union und Sozialdemokraten. Für die Forscher ist klar, dass das Klischee von einer « politisch eher links zu verortenden » Studentenschaft nicht mehr pauschal zutrifft. […]

Walter Grünzweig, Professor für amerikanische Literatur und Kultur an der Technischen Universität Dortmund und Träger des Ars-Legendi-Preises für exzellente Lehre, spricht von einer « Generation unter extremem Druck ». Die Studenten seien dazu angehalten, das Studium möglichst schnell abzuschließen: « Sie schauen nicht mehr nach rechts oder links, sie haben keine Zeit, sich für Themen außerhalb der Studienordnung zu interessieren. Sie wollen bloß möglichst unfallfrei zum Abschluss kommen. » Dabei, kritisiert Grünzweig, bleibe die Reflexion des Gelernten auf der Strecke. Früher seien Studenten auch mal abgeschweift, hätten Seminare besucht, die das eigene Fach nur am Rande betrafen, hätten sich im Allgemeinen Studierendenausschuss engagiert oder in politischen Gruppen. Heute fragten Studenten zuerst nach Credit Points, also den Punkten, die sie mit einer Veranstaltung sammeln können. Wenn er den jungen Frauen und Männern Bücher oder Essays zur Vertiefung empfehle, erzählt Grünzweig, lehnten sie ab. Dafür hätten sie keine Zeit.

« Die Universitäten sind auf Effizienz getrimmt, und die Studenten passen sich an », sagt Grünzweig. […] « Wir erziehen eine unpolitische, antiintellektuelle Generation. »

650 Wörter

DER SPIEGEL 44/2014 (27. Oktober 2014)

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